Irina Pauls ist Choreografin und Regisseurin aus Leipzig. Sie spricht über das Programmheft zu Short Cuts & U-Turns (2016) und über die Transkription von Gesprächen mit Tänzer*innen des Stücks Facing Zero and One (2021). http://www.irinapauls.de/
Irina Pauls im Gespräch mit Angelika Waniek und Elena Strempek am 23.06.2023 / Ort: Alte Baumwollspinnerei in Leipzig
Irina Pauls: Ich bin Irina Pauls und ich bin Choreografin. Das beinhaltet ja nun ein weit gefächertes Arbeitsfeld. Ich habe Choreografie studiert – fünf Jahre – noch zu DDR-Zeiten. Bin sozusagen Diplom-Choreografin und habe in dieser Funktion – darauf wollte ich hinaus – angefangen als Leiterin der Sparte Tanz an verschiedenen Theatern in Deutschland zu arbeiten. Das habe ich über 25 Jahre getan. Also ich bin groß geworden am Theater mit Tanz, Ensembleleitung, Oper, Operette, Musical, Schauspielern, Musikern, Tänzern, Sängern, großem Chor, all das.
Und dann, seit jetzt – glaube ich – 12, 14 Jahren bin ich freischaffende Choreografin, lebe in Leipzig, arbeite sehr gern in anderen Kontexten – also sehr gerne an anderen Orten. Ich habe noch eine Kompanie in Wien, die sich aus meiner Zeit in Salzburg entwickelt hat, wo ich am Mozarteum unterrichtet habe. Das heißt, ich unterrichte auch jetzt an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig, in dem Studiengang Elementare Musik und Tanzpädagogik. Also das Künstlerische, Pädagogische ist auch so ein kleines Arbeitsfeld von mir. Grundsätzlich bin ich aber eher in öffentlichen Räumen unterwegs oder an Orten. Heute sagt man auch Un-Orten. Mich interessiert es aus dem Theater raus zu gehen, dadurch, dass ich so viele Jahre im Theater drin war.
Angelika Waniek: Und hast du eine Publikation dabei oder hast du mehrere Publikationen dabei? Was ist es, über was du sprechen möchtest?
Irina: Ich habe zwei Publikationen dabei. Wobei, “Publikation” ist sehr gut. Ich muss noch mal kurz abtauchen in meinen Rucksack… Ach ja, ich habe zwei Sachen mitgebracht und ich habe überlegt, was ist denn nun das Gemeinsame und was ist das Unterschiedliche? Das hat mich selbst schon sehr interessiert. Das eine, was ich mitgebracht habe, ist ein kleines Programmbuch.
Und zwar sehe ich das als eine Publikation für mich, weil als freie Künstlerin ist man ja selber dafür zuständig, was man für Texte zu den Performances dazu gibt. Und am Theater ist es komplett anders. Da gibt es einen Dramaturgen, der bereitet das für dich auf. Und hier ist es so gewesen, dass ich für eine Retrospektive von mir das Programmbuch selbst zusammengestellt habe. Deshalb sehe ich das eigentlich eher als eine Publikation von meiner Seite. Ganz kurz: Es ist 30 Jahre meiner künstlerischen Arbeit, die ich in einer Performance reflektiere. Und ich habe mir da ein ganz besonderes Format ausgedacht. Insofern beinhaltet dieses kleine Buch auch sehr viele unterschiedliche Dinge, nämlich die Lesart: Wie soll das Publikum diese Inszenierung erfahren? Was sehe ich eigentlich für mich als Archiv? Wie stelle ich mich dazu ins Verhältnis – zu meiner eigenen Arbeit, mit welchen Mitteln usw? Also, das ist das ein Programmbuch von Shortcuts and U-Turns. So heißt das. Und das zweite, was ich mithabe, ist eigentlich nur eine Transkription von einer Recherchearbeit. Ich fand die aber so interessant, weil weder diese Transkription, diese Recherchearbeit noch das, was hier in diesem Shortcuts and U-Turns Programmbuch ist, hat es jemals geschafft, eine Publikation zu werden. Sollte es aber! Und das war für mich der spannende Moment, dass diese beiden Teile für mich ganz klar mal zu einem größeren Werk publizistischer Art führen sollten und es nicht geschafft haben. Und ich reflektiere natürlich darüber, warum sie es nicht schaffen. Das finde ich einfach einen spannenden Moment.
Elena Strempek: Wenn du sagst: “sie haben es nicht geschafft”… Wir haben ja jetzt hier eine Publikation vorliegen! Das andere, was ich da in deiner Mappe sehe, das sind Blätter. Möchtest du uns vielleicht kurz noch sagen, was auf diesen Blättern zu sehen ist?
Irina: Die Blätter sind die Transkriptionen der Sprachaufnahmen, die ich gemacht habe mit Tänzerinnen zusammen bei der Entwicklung des Stückes Facing Zero in One. Und dieses Stück hatte 2021 Premiere in Dresden Hellerau. Die Probenarbeit lebt ganz stark davon, dass wir immer wieder reflektieren, ja, wie alle das machen: Research, Reflexionen, Gespräche. Und in diesem Stück geht es eigentlich darum, dass wir herausfinden wollen, was kann die Maschine, was kann der Mensch? Und wir waren im Probenprozess an der Stelle, wo wir schon so weit waren, dass wir gesehen haben, dass die Vorgabe der Maschine eine Präzision von uns als Körpermensch erfordert, die wir nicht erreichen können, aber uns letztendlich auch darüber Informationen über unser Körperbewusstsein gibt, die uns in der Qualität weiterbringt. Und genau das war das Thema, was ich gerne den Zuschauern vermitteln wollte. Und jetzt stehe ich sozusagen in der Arbeit, im Vermittlungsprozess. Ich denke, wir Tänzer müssen jetzt erst mal spüren: Und was ist das? Was macht das? Was macht die Vorgabe mit uns? Was diskutieren wir? Und dann gibt es noch [die Frage:] Wie können wir das dem Zuschauer überhaupt irgendwie nahebringen, was wir dort diskutieren? Und das ist für mich ein ganz großes Thema. Also das Thema ist unsere Diskussion, unsere Wahrnehmungsarbeit: Wie macht sich das dem Zuschauer sichtbar? Weil ich finde das einen ganz wesentlichen Punkt, dass der Zuschauer das in irgendeiner Weise … er muss das ja gar nicht nachvollziehen, aber spüren!
Und hier in dieser Transkription ist es so, das war so interessant, ich habe das Handy hingehalten und die Sprachaufnahmen [gemacht], das habe ich sonst nicht gemacht. Das war das erste Mal, ich habe mich mit meiner Person ziemlich eingebracht und immer wieder Fragen gestellt, so dass das Gespräch sozusagen in Gang kam. Dann habe ich gesagt: Gut, die Sprachaufnahmen waren da, ich transkribiere das. Ich habe das runtergeschrieben dadadadada. In dem Moment war mir klar: weder ich verstehe etwas, noch irgendein anderer. Und dann habe ich eine Tänzerin eingeladen und wir beide haben dann versucht, aus dem Hören und dem Text, den ich schon aufgeschrieben hatte, also diese beiden Medien schon zusammengebracht, herauszufiltern, was wir überhaupt gemeint haben [könnten]. Und wir standen sprachlos da und haben gedacht: Was meinen die denn jetzt? Jetzt haben wir wieder gelesen, jetzt haben wir wieder gehört. Und jetzt kam das Spannende: Wir sind beide aufgestanden, haben uns an die Arbeitsaufgabe erinnert, unser Körpergedächtnis rausgeholt. Ich hatte mein Heft dabei, was die Arbeitsaufgabe war und habe das verglichen. Wir haben die Arbeitsaufgabe wieder gehabt, wir haben sie wieder durch unseren Körper gehen lassen. Wir haben plötzlich verstanden, was das Schriftbild dort macht. Wir haben plötzlich verstanden, was das Auditive dazu meint und haben dann wieder sozusagen versucht, die Sätze wieder zu formulieren. Und dann haben wir noch Folgendes gemacht: Wir haben darunter immer Kommentare geschrieben. Also die Tänzerin Eva sagte: “Ich denke, sie meint das und das” und ich schreibe: “Ich denke, wir meinen das und das, weil wir waren gerade an dem und dem Thema.” Und das ist das, was ich hier alles so aufgefächert habe. Für uns wahnsinnig spannend für uns beide, die wir da zusammen gearbeitet haben. Wir sind von einer Erkenntnis in die nächste gestolpert. Aber das war der Moment, wo ich gesagt habe, das kannst du niemandem anbieten. Das ist so interessant aber wer soll denn das nachvollziehen können? Und da ist eben die Frage: Was für eine andere Ebene bräuchten wir denn da jetzt noch? Hätte der Film das jetzt rausgerissen, wenn wir das als Körper probiert hätten? Ich bezweifle es. Ich denke eher, es ist ein Feld der Kommunikation. Aber auf der anderen Seite hast du das Schriftbild und das Auditive, was letztendlich die Bewegungserinnerung und die Reflexion wieder in Gang gesetzt hat. Und das fand ich so interessant.
Angelika: Hört sich sehr komplex an! Und das ist aber genau das, worüber ich vielleicht noch ein bisschen mehr sprechen möchte: über die verschiedenen Ebenen, die in dem Moment des Tanzes zusammenkommen, die, wenn man sie auffächert, sich nicht in eine Publikation übertragen lassen. Aber du schaffst es trotzdem immer wieder etwas festzuhalten, oder?Für dich, sagst du. Der Tanz, das ist das, was es ist. Oder ist da auch so ein Bedürfnis danach, etwas zu haben, was nach dem Tanz gelesen oder archiviert werden kann?
Irina: Das, denke ich, sind für mich zwei sehr verschiedene Sachen. Das eine, was du sagst, was da nachgelesen werden kann, finde ich persönlich immer wichtiger. Also über Textsprache nachzudenken. Wie kann sich das vermitteln? Wie kann sich da was vertiefen? Weil ich denke, dass es so ein umfangreiches Wissen ist. “Wissen” ist da, glaube ich, gar nicht das richtige Wort. Das ist so ein Kosmos, den ich gerne vermitteln möchte. Das ist das eine und darüber denke ich nach, auch mit den Tänzern – ganz angestrengt. Und das andere ist, dass ich mir zum Archiv ja persönlich erst – einen ganz langen Zeitraum [über] – eine Haltung erarbeiten musste. Für mich war ja Archiv das Allerletzte. Ich habe immer nur gedacht: Was soll denn das? Videos sind dafür da, dass die Tänzer wissen, was sie in den nächsten Performances machen sollen. Gerade wenn du umstudieren musst am Theater, das war's. Und dann habe ich aber Heide-Marie Härtel vom Deutschen Tanzfilminstitut kennengelernt – in Oldenburg, als ich dort gearbeitet habe. Und darüber bin ich eigentlich überhaupt erst mal auf diese Archividee gekommen. Wie soll ich sagen, das hat mich deshalb nicht interessiert, weil ich der Meinung bin, ich mache halt einen künstlerischen Gang, eine sogenannte Entwicklung, und das lebt in seiner Zeit und da gehört das hin und das, das reicht dann auch. Da wurde mir also klar gemacht, dass ich das von mir persönlich als Künstlerin auch so denken kann und das völlig in Ordnung ist. Aber dass es ja letztendlich auch noch ein Umfeld gibt, für die das in gewisser Weise interessant sein könnte, wie Sachen entstanden sind, vergleichend oder inspirierend oder was letztendlich den gesamten gesellschaftlichen Kontext ausmacht und auch die künstlerische Arbeit umfassender beleuchten kann.
Und da habe ich mich dann darauf eingelassen und angefangen, darüber nachzudenken. Und dann ist es aber so, dass ich für das Archiv auch denke, man braucht da ganz spezielle, besondere Formen. Und ich habe mich da mit dem Tanzarchiv [Leipzig e.V.] wirklich schon mehrmals gedanklich getroffen. Ich habe da zum Beispiel eine sehr schöne Tagung “Die Choreografie des Archivs” erlebt und darum ging es mir. Da dachte ich, ja, der Körper ist Teil des Archivs. Wie ein Körper sich etwas erschließen kann, das ist ein Archiv: Er muss hoch runter, was rausziehen, was rüber, er sieht was, er liest was – also diesen ganzen umfassenden Kosmos eines Archivs mit allen Sinnen. Das macht für mich total Sinn. Finde ich gut. Sehe aber auch, dass wir da eben noch nicht so weit sind. Und da dieses nicht meine Hauptaufgabe ist, falle ich eben immer wieder zurück und sage: Ja schön, aber ich will jetzt das Stück machen. Ich will jetzt arbeiten – mit den Tänzern. Das ist ein schönes Buch, ja. Das kann alles mal werden. Ich schiebe das weg.
Und dann kommt aber auch noch eine andere Sache dazu: Worauf ich ja gar keine Lust habe, ist, wenn man dann ein gewisses Alter erreicht hat und dann sagt: naja, ich mache jetzt weniger, da könnte ich doch mal ein Buch machen! Also davor fürchte ich mich. Das will ich auf gar keinen Fall. Wenn ich als Künstlerin nichts mehr zu sagen habe oder wie soll ich sagen... nichts mehr tue, ist die Zeit vorbei meine Sachen zu reflektieren. Das müsste mir jetzt gelingen.
Elena: Du hast ja vorhin auch darüber gesprochen, dass du eigentlich mit dem Transkript schon dran bist, in Richtung Publikation zu denken. Aber es ist wirklich ein Prozess, in dem du mittendrin steckst. Wenn du davon sprichst, dass man das Archiv als eine körperliche Erfahrung sieht oder dass das für dich viel mehr Sinn macht, indem du als körperliche Erfahrung darüber nachdenkst, habe ich jetzt gerade überlegt: Wie könnte eine Publikation, die du jetzt oder demnächst machst, eben auch eine körperliche Erfahrung sein? Und diese Gedanken, die du ja wirklich so vielschichtig angesammelt hast, die ja mehrere Ebenen haben in der Konzeption eines Stückes, eben auch als Schichten in einer Publikation anzuordnen sind. Also vielleicht die Frage nochmal: wie könnte eine Publikation für dich aussehen, die eben eine körperliche Erfahrung hat oder diese körperliche Ebene stark macht?
Irina: Also ich bin zum Beispiel gar kein Freund von Videoaufnahmen. Das habe ich auch immer wieder erlebt, auch meinen Arbeiten gegenüber. Die sind so stark geprägt von dem, was ich in dem Moment, als ich kreiert habe, empfunden habe. Ich glaube, ich sehe Dinge, die andere Menschen nicht sehen. Und das bewegte Bild, vor dem fürchte ich mich. Das ist für mich nicht wahr! Insofern hatte ich auch bei diesen Ansätzen der Publikation schon immer über Fotos nachgedacht. Ich finde Fotos sehr schön und im Sinne davon, dass Fotos eine bestimmte Anordnung haben können und die Anordnung der Fotos ja auch eine Choreografie ist. Ob das nun ein Raum ist oder Rhythmus ist, das kommt ja dazu. Und vor allem bietet es die Ebene, dass ich selbst Fantasie dazu entwickle.
Ich denke, das ist sozusagen das Hauptthema für mich: Wie bringe ich denn den Menschen, der diese Publikation hat, sieht, spürt, wie bringe ich den eigentlich in den Moment hinein, dass er selbst Assoziationsfelder aufbauen kann? Ich denke, es ist nicht möglich zu sagen, das habe ich gedacht und das sollt ihr jetzt auch denken, sondern das ist sozusagen das Wichtigste. Wie gelingt einem das? Die eigenen Fragestellungen, ja. Aber du willst ja, dass der Mensch seine Fragestellungen zu diesen Themen entwickelt. Und eigentlich ist das dann eher ein offenes Prinzip. Also Fotos sind das eine und das andere sind diese Textfragmente. Das finde ich auch sehr interessant, aber das kommt vielleicht auf die Frage [zurück], Angelika, die du mir stelltest. Zum Schluss habe ich schon immer das Gefühl in mir, ich würde gerne was vermitteln. Ich würde gerne, dass irgendwas für den anderen dabei rauskommt, was auch mit dem zu tun hat, was an meine Erfahrungen anknüpft, die ich mir so über die vielen Jahre einfach auch angeeignet habe. Also wenn man so viele Jahre im Studio steht und nur Menschen beobachtet, glaube ich, ist das ja auch eine gewisse Kompetenz und das würde ich gerne auch den anderen mitgeben. Das ist so das Ding. Was ist das, was du eigentlich mitgeben willst? Und erwartest du, dass sie eine Fantasie und Assoziationsfähigkeit in den Raum [mitbringen]? Und ich glaube, dieses Vor und Zurück ist das, was es sein sollte.
Angelika: Würdest du sagen, dass in dem Moment, wo ich ein Stück von dir sehe, das gelingt? Oder ich kann es vielleicht aus meiner Perspektive sagen: in dem Moment, wo ich eine Arbeit von dir sehe, da gelingt es, dass du bei mir einen Assoziationsraum eröffnest. Die Frage ist also, um es konkreter zu machen: Wie kriegt man diesen Raum in die Publikation hinein?
Irina: Ja, wobei… weißt du, ich denke, in dem Moment, wo du das Theaterstück erlebst, da ist ja was Energetisches in dem Raum, was wir ja eben [in einer Publikation] nicht haben. Und ich bin der festen Überzeugung, dass das die ersten Momente sind, wo du denkst, wo man spürt, komm ich mit dieser Art Arbeit klar oder komm ich nicht klar. Das ist ein ganz großes Bauchgefühl. Das hängt viel von der Tagesform der Menschen ab und so. Und davon gehe ich ja nicht aus, weil diesen Raum haben wir [in einer Publikation] nicht. Und deshalb bin ich persönlich der Meinung, es muss anders sein, ich kann mich nicht darauf berufen! Dieser Moment ist einfach nicht da.
Elena: Die Frage könnte man stellen, ob das Objekt Buch irgendwie die Möglichkeit hat, einen Raum zu kreieren, eine Atmosphäre zu kreieren. Das ist ja was, was man in die Hand nimmt. Bei einem Theaterstück oder bei einem Tanzstück nimmt man selten etwas in die Hand. Außer vielleicht das Programmheft, das man noch am Anfang bekommen hat. Also das ist gerade eine Frage, die bei mir hochkommt. Durch die Haptik des Papiers oder durch die Aktivierung des eigenen Körpers, durch das Auffalten ist das auch ein Werkzeug, welches man nutzen kann, um eine bestimmte Atmosphäre zu kreieren?
Irina: Ich glaube das. Ja. Ich glaube auf jeden Fall, dass das so ist. Weil du sagtest ja auch, das ist eine gewisse Aktivität. Also wir setzen dann voraus, dass der Mensch, der das benutzt, in einen aktiven Zustand gebracht wird. Und das ist eben die Frage. Es ist sehr interessant mit Faltung von auf und zu, mit Haptik. Was dennoch der Punkt ist: der Mensch müsste ja auf eine gewisse Weise fähig sein, in seinen eigenen Körper hineinzuhören. Und diese Fähigkeit, muss ich leider [sagen], spreche ich leider nicht so vielen Menschen zu. Wirklich zu schauen: Was ist das gerade, was sich mit mir und in mir tut? Und das ist für mich die Voraussetzung dafür, dass das, was ich da mit den Menschen teilen will, auch in Schwung kommt. Deshalb tue ich das dann weg, diese Publikation oder diese Schriftstücke. Denn ich mag es dann nicht zu sagen: okay, ich gebe euch jetzt eine Gebrauchsanweisung, so wie ich das bei der Performance gemacht habe. Machst du eine Gebrauchsanweisung: Geht hier, geht da, ihr könnt da rein, raus! Seht das so, seht das so, nach 20 Minuten so, hier könnt ihr essen, hier könnt ihr trinken, hier könnt ihr das denken. Finde ich gut, weil dann kommt das Theater in Gang. Aber dieses Vorwissen, das finde ich auch schwierig. Das würde ich nicht gerne mitgeben, aber das hat sicher auch wieder mit meiner Prägung zu tun, dass ich denke: Sichtweisen vorgeben, ach, da fürchte ich mich sehr davor!
Elena: Wenn du so erzählst, dass du möchtest, dass der Mensch, der in dem Moment mit deiner Kunst in Verbindung ist, in sich rein spürt, kommt bei mir das Bild, dass ich zum Beispiel, wenn ich lese, viel mehr in meinem Körper bin, als wenn ich auf einen Bildschirm gucke. Deswegen würde ich jetzt mal so den Vorschlag machen – oder zumindest dich motivieren, dran zu bleiben. Weil ich glaube, es ist gar nicht so weit weg von dieser Erfahrung, die du haben möchtest.
Irina: Ja, das glaube ich auch. Sonst hätte ich ja nicht gesagt: Ja, ich habe Publikationen! Das ist ja auch wieder der Punkt, wo man sagt, ja, man glaubt daran, dass es einen Sinn macht, dass es was bringt, dass es einen weiterbringt. Das ist ja da. Sowohl hier als auch mit meiner Archivarbeit, wo ich es auch schon versucht habe. Ja, mit wem könnte ich zusammenarbeiten? Mit welchem Verlag könnte ich das machen? So weit war ich ja überall schon. Und zum Schluss kommt der Moment, dass mir die Arbeit im Studio mit den Menschen einfach noch näher ist als das andere. Und wenn ich es nicht schaffe, wie ich euch sage, solange ich noch aktiv arbeite, wird es hinten raus nichts werden. Aber ich finde es eine ganz große Ermutigung, die Fragen, die ihr stellt.