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GESPRÄCHE ÜBER PERFORMANCE UND PUBLIKATIONEN
Impressum

Nora Frohmann und Clemens Fellmann

Nora Frohmann ist Bildende Künstlerin in Leipzig. Zu ihrer Praxis gehört Performance, Tanz und Objekt/Installation. Clemens Fellmann (Basel/Leipzig) beschreibt sich als Künstler, Forscher und Kunstvermittler. Sein Schwerpunkt liegt auf Performance, Skulptur, Text, performativen Vermittlungsmethoden, sowie dem Sammeln von Performances. Beide sprechen sie über ihre Potato Prints und die Tanzperformance/ Lecture-Demonstration Potato Print Dance.
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clemensfellmann.ch

Gespräch mit Nora Frohmann und Clemens Fellmann im Juni 2023 (Auszug)

Nora Frohmann und Clemens Fellmann im Gespräch mit Henriette Aichinger am 15.06.2023 / Ort: Leipziger Baumwollspinnerei

Henriette Aichinger: Ich würde gerne wissen, welche Publikationen ihr mitgebracht habt.

Nora Frohmann: Wir haben Blätter aus einem DIN-A3-Block mitgebracht. Das sind Potato Prints, Kartoffeldrucke, die wir gemeinsam gemacht haben. Gemeinsam auch im Sinne von, dass die Blätter nicht zuordenbar sind, wer sie explizit gemacht hat. Weil wir eben auch gemeinsam auf Blättern gearbeitet haben, teilweise auch gleichzeitig. Also im Sinne von - wir beide gleichzeitig -  aber auch gleichzeitig an mehreren Blättern. Die Stempel haben eigentlich auch keine Zuordnung. Also, die Formentwicklung der Stempel hat auch keine Zuordnung – wer die gemacht hat und wer sie benutzt hat. Und dann haben wir noch, weil sie auch mit in der Mappe waren, die ich mitgebracht habe: Arbeitsnotizen. Wir haben die Drucke kopiert, sie sorgfältig behandelt, weil wir sie auch als eigenständige Kunstwerke sehen und (gehen) deswegen pfleglich mit ihnen (um). Und um eben dann mit den Kompositionen zu arbeiten, mit den Motiven, haben wir sie aus Kostengründen schwarz-weiß kopiert, in Originalgröße. Das heißt, wir haben hier auch noch ein paar A3 Schwarz-Weiß-Kopien mit dabei. Und wir haben auch Notizen auf DIN-A4-Blättern mit dabei. Da stehen Wörter drauf. Da stehen Zahlen drauf. Da sind Strichmännchen drauf gezeichnet. Und es sind aber auch unsere Stempel, also die Formen noch mal abgezeichnet.

Clemens Fellmann: Was wir nicht mitgebracht haben, kommt mir jetzt in den Sinn zum Thema Publikation, ist unsere Publikation. Wir haben nämlich auch einen Artikel in einem Sammelband veröffentlicht. Das ist ein kurzer Text von etwa zwei Seiten. Und eine Collage über eine Doppelseite, in der Fotos vom Tanz, Bilder, die wir jetzt hier sehen, also die Zeichnungen, die Notizen noch mal neu zusammengemischt wurden. Eine Collage aus Text und Bild. Und das Ganze in einem Sammelband der Tanzwissenschaft.

Nora: Und wir haben uns da eben schon ganz stark Gedanken gemacht, wie wir unseren Beitrag, unsere Lecture Demonstration in Buchform oder in Artikelform bringen, wie wir sie überhaupt darstellbar und nachvollziehbar machen. Weil, es war ja auch auf jeden Fall eine Live Performance. Und ganz wichtig war der Aspekt von „Etwas vorführen“; also Lecture Demonstration ist ja nicht Lecture Performance. Also es ging ganz stark darum, das, was wir erzählen, erklären, in Anführungszeichen, gleichzeitig auch vorzuführen. Und diese Vielschichtigkeit, die das Ganze hatte und hat, also das ganze Projekt Potato Print Dance ist sehr komplex und hat viele Ebenen – Ebenen der Übersetzung. Und da haben wir versucht, wie wir das (zeigt auf die Drucke) da hinein bekommen (schlägt die Hände zusammen und kippt sie wie zu einem liegenden Buch). Wir haben die verschiedenen Layers, also im wahrsten Sinne des Wortes, auch in dieser Collage untergebracht. Und auch unser Storyboard, so haben wir es genannt. Das ist wirklich die Basis, die darunter liegt. Wir haben uns also Dokumentationsfotos von uns, die damals gemacht wurden, ausgeschnitten. Wir haben Zeichnungen freigestellt, also Notizzeichnungen freigestellt und dort untergebracht.

Henriette: Ich würde gerne nochmal ein kleines Stück zurückgehen… Was besonders interessant ist an Performance und Publikationen, ist ja sozusagen der Transfer, also der Übergang. Und jetzt ist für mich noch nicht ganz klar, was zuerst war. Ob irgendwas in dem Projekt zuerst war – also, ob es zuerst die Printausgabe gab oder ob es zuerst die Performance gab. Und an welchem Punkt ihr sozusagen darauf gekommen seid, dass es noch was anderes braucht, falls es erstmal nur eine Sache gab.

Clemens: (zustimmendes Geräusch) Also es gab zuerst diesen Stapel hier, von den Drucken. Vorangehend noch andere Drucke, wo ich… wir viel getestet haben, in verschiedenen Formaten… Wir dann sehr stark im Bild waren und Drucke gemacht haben und auch sehr stark auf die Komposition, auf die Farbe usw. geschaut haben. Und ich weiß nicht, woher dann die Idee kam, ehrlich gesagt, dass man daraus Tanz machen (kann) und dass wir das machen wollen. Tanznotation war ein Thema, das uns beide schon beschäftigt hat. Wir beide haben zusammen getanzt und hatten bereits ein Tanzstück gemacht. Und irgendwas hat uns getroffen. Und dann war die Idee da, dass wir die Drucke als Tanznotation verwenden mit der naiven Idee, dass wir dann eine Tanznotation haben, mit der wir diese Drucke quasi vom Blatt tanzen können. Wie man vom Blatt Musik spielt und wir relativ schnell gemerkt haben, wir werden in unserem Leben nicht unser Notationssystem erfinden können. Weil das hat so viele Dimensionen und wir sind dann eher in eine spielerische… ja, spielerische Variante übergegangen.

Nora: Also eben genau dieser Aspekt Transfer – zu Beginn der Frage... Und zum Glück haben wir es uns einfacher vorgestellt (lacht), als es dann war. Aber genau das waren ja auch, oder, das sind ja auch die spannenden Punkte. Also wir haben gemerkt, es wird einfach keinen, nicht einen einzigen Weg geben, das zu übersetzen.


Henriette: Habt ihr auf der Bühne auch gedruckt?

Clemens: Das haben wir mit dieser besagten Lecture Demonstration in diesem Symposium.  

Nora: Da in Zürich.

Clemens: In Zürich, an der Zürcher Hochschule der Künste. Da haben wir live gedruckt. Also, es war wirklich eine Demonstration und da hatten wir schon unsere ersten Lesarten und haben vor den Menschen mit so einer Livekamera gedruckt. Und haben so getan, als würden wir gerade neue Blätter drucken. Und das wurde dann projiziert hinter uns, so, dass alle sehen können. Und das, was wir geredet haben während dem Drucken, haben wir so ein bisschen auf die Spitze getrieben. Wir haben uns wiederholt und uns laut Gedanken gemacht, wie wir die Blätter komponieren wollen. Und im Anschluss, nach diesem, diesem zehn Minuten Druckspiel, sind wir dann verschiedene Lesarten oder Prinzipien durchgegangen. Mit gesprochener Sprache und auch auf einzelne Aspekte wie Farbe oder Form oder Platzierung eingegangen… Also alle, nicht alle, aber einige der Eigenschaften der Blätter, auf die wir achten können und die man, die wir irgendwie in Bewegung übersetzen können. Und gleichzeitig zum Lesen unserer Überlegungen haben wir das auch aufgeführt. Also zum Beispiel, wenn sich ein Stempel überlagert, das ist ein Thema: Was macht man, wenn plötzlich zwei Stempel übereinander sind? Da gab es einen kurzen Text zur “Überlagerung” und zu unseren tänzerischen Überlegungen zur Überlagerung. Und dann haben wir das gleich auch mit aufgeführt.


Henriette: Und meint ihr, die beiden Dinge könnten aber auch getrennt voneinander sein? Also der Tanz und die Publikation. Ich will so ein bisschen darauf hinaus, ob die Publikation etwas kann, was die Performance zum Beispiel nicht kann. Oder andersherum.

Nora: Das war einer unserer mega mega mega Challenge Gedanken. Also wir hatten zum Beispiel in München – nach einer zweiwöchigen Residenz – ein Showing und haben erstmal plane (pur) sozusagen nur Bewegung, nur Choreografie zu Musik gezeigt. Dann haben wir, da wir die Chance nutzen wollten, mit dem Publikum ins Gespräch zu kommen, um Feedback, um Eindrücke einzuholen, haben wir die Prints (Drucke) noch gezeigt. Wir haben zahlreiche Rückmeldungen bekommen wie “Ah ja, Wahnsinn, okay”.  Also nicht “Okay” im Sinne (von:) “Jetzt ist alles klar”, eher: “Wow, das war so ein super wichtiger Moment für mich, diese Grundlage, diese Arbeiten, diese Drucke zu sehen.” Das kam von Zuschauer:innen öfter. Und das hat uns dann so ziemlich zu Überlegungen und Herausforderungen gebracht. Weil wir eigentlich mit der Überlegung gestartet sind, die Prints sind Prints und sind Bilder und sind eigenständig. Und die Moves, die Bewegungen, die Choreografie, die Performance ist eigenständig. Wir haben dann auch noch ein paar Tryouts probiert. Wo wir dann den Zuschauenden so ein Mini-Heftchen zum Beispiel in die Hand gegeben haben. Wir haben auch eine Variante gehabt, wo wir die Formen in richtig groß aus Pappe zum Beispiel mit einbezogen haben, um so verschiedene Levels auszutesten, wie viel Info wir sozusagen dem Publikum mitgeben. Haben auch Überlegungen gehabt, ob wir quasi parallel, sagen wir mal, in einem Foyer von dem Ort, wo wir dann die Performance zeigen, die Drucke zeigen. Oder wir haben natürlich auch überlegt, ob wir Drucke projizieren, während wir performen… Schlussendlich, zu den Aufführungen, die wir dann ja im LOFFT (Freies Produktionshaus in Leipzig) hatten, haben wir entschieden, die Drucke als Drucke, als Blätter, als künstlerische Arbeiten außen vor zu lassen. Also die sind nicht aufgetaucht, außer im Titel Potato Print Dance.

Clemens: Es bestand der Wunsch, dass wir die Blätter auch irgendwann mal zeigen können, unabhängig von einer Performance. Wir haben uns für Ausstellungen beworben. Und jetzt beim Durchblättern der Materialien bin ich mir eigentlich sehr sicher, dass sie auch ohne die Performance, ohne den Tanz und eigentlich auch ohne die Lecture Demonstration etwas sind.


Henriette: Meine ganzen (vorbereiteten) Fragen passen gar nicht so richtig zu euch und ich frage mich die ganze Zeit, woran es liegt. Ich glaube, dass ihr einfach – also wie du schon sagst oder wie ihr auch erzählt habt – dass ihr alle möglichen Varianten ausprobiert; dass ihr immer zwischen der flachen Ware und der Bewegung changiert, sozusagen. Ihr habt sehr viel schon erzählt. Es gibt zum Beispiel die Frage, ob ihr den künstlerischen Prozess noch einmal erläutern könnt? Sozusagen, wie aus dem einen das andere geworden ist. Ob ihr noch andere Materialien ausprobiert habt. Ob ihr lange probiert habt, bis ihr dieses Papier (sie zeigt auf die Drucke) zum Beispiel gefunden habt?...  Eigentlich geht es ein bisschen darum: was macht das Material und warum habt ihr euch für das Material entschieden? Und was sagt das über die Performance aus? Welche Gedanken hattet ihr bei diesem Prozess des Übersetzens? Was habt ihr da so bedacht?

Clemens: Uh, es sind so viele Fragen. Ich höre eine Frage zum Papier und dann zum ganzen Übersetzungsprozess. Und das Papier scheint mir auf den ersten Blick eine langweilige Frage, weil die Antwort vielleicht auch ein bisschen banal ist. Wir haben viele und vielleicht dann doch irgendwie richtig viele Papiere versucht. Sehr groß, also 120 auf 80 (cm) oder auf Karton und auf Passepartouts usw. Und der Block, der ist noch von vor einer ganz langen Zeit, von mir früher. Er ist auch gelocht. Es ist ein aufgemachtes Skizzenheft. Ich kann mich erinnern, dass ich uns an dem Tag ein bisschen gedrillt (habe). Weil ich unbedingt wollte, dass wir in diesen Stunden...

Nora: Wir wollten so durchdrucken.

Clemens: Ja, und ich glaube, das ist nicht unwichtig für den Prozess gewesen vom Prozess her. Weil wir dann zum Teil bis zu acht Blätter gleichzeitig ausgelegt haben auf dem Tisch und weil wir dann um den Tisch rumgelaufen sind; Blätter auf die Seite (gelegt haben), weil sie fertig waren; sie plötzlich wieder reingenommen haben. Und deswegen sind diese Löcher, die jetzt da sind, auf diesem Papier eigentlich fast wie symbolisch dafür, dass es sich um einen Block handelt und – auch beim Drucken – wir das Papier, wie einen Block behandelt haben und schnell da durch gegangen sind. Und ich glaube, das Produzieren von Masse, von Dingen ausprobieren, blieb bis zum Schluss eine Arbeitsmethode.

Nora: Wir haben auch verschiedene Farben ausprobiert. Wir haben Gouache ausprobiert, wir haben Aquarell ausprobiert.

Clemens: Tinten.

Nora: Also da haben wir wirklich wahnsinnig viel ausprobiert. Wir haben… Wir haben auch Kartoffeln ausprobiert. Wir hatten eine Phase, da wollten wir möglichst große Kartoffeln, damit wir einfach möglichst viel Freiheit in der Gestaltung der Formen haben.


Henriette: Und da wart ihr aber noch nicht in der Performance, sondern das war dann wirklich nur eine bildnerische Arbeit.

Nora: Ja, also wenn man es jetzt auf die Performance bezieht, war es wie Vorarbeit. Aber ich möchte es so auf keinen Fall bezeichnen, weil eben das, was wir hier haben, die Potato Prints, sind einfach, sie sind sie selber. Sie sind eigenständige Kunstwerke. Und dieser Punkt des Gemeinsamen, dass wir auch eben gemeinsam entschieden haben, wann ein Blatt fertig ist, (ist wichtig.) Wir haben uns quasi abgesprochen. Fehlt da noch was? Und wenn ja, was fehlt da noch? Und auch ungefähr wo? Oder bevor wir es lange besprochen haben, hat einer von uns beiden dann quasi den letzten Stempel noch gesetzt. Und dann haben wir entschieden: Ja, das ist fertig. Also ich wollte noch mal diesen Aspekt des Gemeinsamen unterstreichen. Und dann, weil du vorhin gefragt hattest, ob wir eigentlich auf der Bühne auch gedruckt haben oder in der Performance. Bei der Lecture Demonstration: Ja. Aber jetzt eben im LOFFT, nicht in diesem expliziten Sinn. Aber wir haben den Druckprozess auf jeden Fall in die Performance, in den Tanz, in die Bewegungen übersetzt. Also, wir haben Wege gesucht und gefunden, um unser Drucken mit hineinzugeben. Wir waren aber auch auf der Suche und haben so Qualitäten mit reingenommen… Also wir haben Vorgänge wie Schnitzen, wir haben Vorgänge wie Platzieren und Suchen, wir haben Vorgänge wie Schneiden, das haben wir auch in Bewegungsqualitäten übersetzt. Und haben uns so von einer quasi direkten Übersetzung durch die ganzen Prozesse, durch das ganze Ausprobieren immer mehr davon wegbewegt.


Henriette: Erinnert ihr euch, während der Herstellung der Drucke, an körperliche Erfahrungen. Erinnert ihr euch an so Tage?

Clemens: So Tage… (lacht) Es entstand in einer ganz kurzen Zeit dieser Block. Ich kann mich erinnern, dass wir um den Tisch herumgelaufen sind. Vielleicht nicht um vier Seiten, aber mindestens um drei Seiten vom Tisch. Ich kann mich also, von den Bewegungen her, an das Rumschieben der Blätter erinnern. Die Blätter nebeneinander legen; sie vergleichen. Die Blätter auf den Boden legen, weg, weil sie schon fertig sind oder weil sie uns plötzlich genervt haben und dann noch weiter weg mussten, bis wir sie wieder herholen konnten. Ich würde sagen, dass wir viel so um uns herum gedreht sind. Und unsere Hände… Also, wir haben uns manchmal besprochen, wenn wir unsicher waren: “Findest du, auf dieses Blatt gehört noch was? Ich würde sagen hier oben links.” Also, dass wir das schon angezeigt haben. Und in der Sprache, da haben wir sehr viel miteinander geredet. Es gab bestimmt schweigende Momente. Aber ich kann mich an sehr viele Momente erinnern, an denen wir im Austausch waren: “Welches Blatt braucht noch welche Form?", “Wie groß?” "Welche Farbe?”

Nora: Oder auch, dass wir im Machen gemerkt haben, es fehlt uns auch noch eine, in Anführungszeichen, bestimmte Art von Form. Eigentlich haben wir uns zuerst die Kartoffeln zur Hand genommen und die Formen geschnitzt. Mit diesem Sortiment sind wir dann ans Drucken gegangen. Aber ich glaube, es kam auch mal vor, dass wir dann gemerkt haben: Ach, wir brauchen eigentlich irgendwie noch so eine organische Form und haben dann noch eine Form nachgeschnitzt, weil wir… gefühlt haben, die braucht es noch. Ich  erinnere mich auch an so Streckmomente, also dass du dich, weil du ans andere Tischende, ans andere Blattende willst, dich auch drüber legst, streckst. (Ich erinnere mich) natürlich auch an diesen Druckvorgang. Also ich kann mich erinnern, dass wir oft auch mit der einen Hand nochmal auf die andere Hand Druck gegeben haben.

Henriette: Ich habe so ein bisschen das Gefühl, dass die Publikation keine Arbeit ist, die so in ein Archiv will. So zusammen in einem Bücherregal mit anderen Publikationen. Oder ist das so? Habt ihr Lust, in einem Archiv aufzutauchen?

Clemens: Ich nicht so. Da kann ich mehr in der Ich-Form sprechen. Ich würde sagen, wenn es bei jemandem in der Sammlung landet oder so, gerne. Aber für ein Archiv? Dann glaube ich noch mit mehr Material. Dann könnte ich mir noch einen Ableger von digitalen Dateien vorstellen, von einem Tanzstück. Da glaube ich, müsste dann auch das Buch dazu, in dem wir den Artikel geschrieben haben. Ich glaube dann eher so im Sinne von: ein Verständnis fürs Projekt haben und das Material zur Verfügung (stellen) und nicht im Sinn von: da ist etwas Fertiges; eher als Ansammlung.

Nora: Sehe ich auch ganz ähnlich. Natürlich dieser Wunsch, eine bleibende Spur zu hinterlassen oder auch verfügbar zu machen, womit man sich beschäftigt hat, (besteht). Wir sind ja schon auch unsere eigenen Fans. Wir lieben die Drucke. Wir lieben auch die Performance, die wir gemacht haben. Ich kann mir vorstellen, …  Das Spannende finde ich eben, dass wir in mehreren Kontexten damit aufgetaucht sind und hoffentlich auch noch auftauchen. Wir waren Teil einer Tanzwissenschaft – eines Tanzwissenschaftssymposiums, sind da in dem Tagungsband vertreten. Aber ich glaube, was mir wichtig wäre oder was für Potato Print Dance wichtig wäre, ist einen Weg zu finden, eine Form zu finden, um die Komplexität beizubehalten und auch zu vermitteln. Also diese unterschiedlichen Ansätze. Ich glaube, man merkt dem Projekt auch an und das wurde uns auch öfter gesagt, dass wir aus der Bildenden Kunst kommen. Also das merkt man unseren Ansätzen an. Und das merkt man, glaube ich, auch unserem Umgang mit Bewegung an. Dann will ich natürlich zum Beispiel auch nicht vergessen, Lena Gätjens zu erwähnen, die für uns – für die Performance – ein wahnsinnig schönes Licht gemacht hat. Was auch natürlich ein Teil dessen war und das auch ganz stark unsere Aspekte aufgenommen hat. Wir haben ja auch in der Performance einen großen Improvisationsanteil. Da hat Lena auch mit dem Licht improvisiert. Und dann Maike Hautz, die für uns einen wahnsinnig tollen Sound gemacht hat.


Henriette: Da habe ich jetzt rausgehört, dass ihr findet, dass ihr die Komplexität der Arbeit noch nicht erfasst habt. Und dass ihr immer noch auf der Suche seid?

Clemens: Ich glaube, wir haben sie gefasst. Im Großen und Ganzen. Was wir noch nicht geschafft haben, ist einen Weg zu finden, die Komplexität so zu vermitteln, dass sie nachvollziehbar ist. Weil ich glaube, nur darüber zu sprechen, ist zum Teil dann plötzlich extrem logisch oder so was oder zu einfach. Und ich glaube, ab dem Moment, wo eine Person so ein Blatt tanzen möchte und dann vor diesen Optionen steht, dann kann sehr viel Komplexität verstanden werden. Und ich glaube, da haben wir keine Form gefunden, all diese einzelnen Aspekte so zu verpacken.

Nora: Also ich sehe in Potato Printe Dance – in unserer Arbeitsweise, wie wir versuchen, Zweidimensionales in Vierdimensionales zu bringen – da sehe ich einfach wahnsinnig viel Potenzial und für mich auch Reizvolles. Je nach Anlass, je nach Kontext, je nach Schwerpunkt, (sehe ich Potenzial,) es in verschiedene Richtungen zu stupsen. Und das finde ich, ja, finde ich ganz toll. Das heißt: sei es eine Performance, sei es eine Ausstellung, sei es ein Workshop.


Henriette: Ja, der spannende Moment ist für mich als Hörende dieser: Man macht Kartoffeldrucke, was ja ein sehr einfacher Vorgang ist und auch irgendwie aus der Kindheit kommt. Und dann geht es plötzlich in die Bewegung über, in einen Tanz. Dieser Transfer ist dem zu schulden, dass ihr eben aus dem Tanz kommt und dass ihr euch daher kennt. Ich finde aber auch ganz schön, dass man in diesen Blättern eigentlich sehen kann, dass ihr um den Tisch gegangen seid. Also man kann sozusagen eine Performance sehen. 

Clemens: Und, da ist noch was, was wichtig ist. Der Kartoffeldruck, beim Thema Notation, hat riesige Vorteile. Weil man die Stempel so ganz schnell schnitzen kann und sie dann trotzdem wiederholbar sind. Also irgendwann ist die Kartoffel so ein bisschen aufgebraucht. Die gleiche Form lässt sich noch mal neu schnitzen und wie bei einer Notation können so, Formen wiederholt werden. Also ich glaube, da in diesem Druckverfahren liegt eine Notationsanwendung total nahe.

Nora: Genau, und du kannst durch eine Drehung, wie im Tanz, Raumrichtungen damit ansagen. Also es sind ja auch noch andere Sachen, die wir da mitgedacht und ausprobiert haben. Zum Beispiel, dass eine Farbe eine Codierung ist. Oder Farbwechsel ja auch eine Bedeutungsänderung hervorrufen.


Henriette: Aber ihr könnt nicht unendlich reproduzieren, oder? Also, die Kartoffeln gibt es jetzt bestimmt nicht mehr. 

Clemens: Nee.

Nora: Nee. Wir hatten auch immer nur quasi eines (ein Stempelset). Das war so eine selbstauferlegte Regel. Wir haben eigentlich immer nur eine Session damit gemacht. Und wir haben für jede Session neu geschnitzt.

Angelika Waniek Henriette Aichinger Anna Till Hermann Heisig Irina Pauls Nora Frohmann und Clemens Fellmann